Neuer prophylaktischer und therapeutischer HPV-Impfstoff gegen Gebärmutterhalskrebs

Im Kampf gegen Gebärmutterhalskrebs entwickelt das Team von Prof. Dr. Martin Müller und Dr. Xueer Zhao am Deutschen Krebsforschungszentrum, Heidelberg, ein völlig neues Impfkonzept gegen Humane Papillomviren (HPV): Die neue Vakzine ist nicht nur robust, kostengünstig und schützt vor allen krebserregenden HPV-Typen, sondern besitzt erstmalig neben prophylaktischen auch therapeutische Eigenschaften. Ein solcher „Dual-Purpose“- Impfstoff könnte zukünftig nicht nur krebserregende HPV-Infektionen verhindern, sondern gleichzeitig auch das Immunsystem schon infizierter Personen aktivieren und speziell auf virusinfizierte Körperzellen lenken. Dadurch ließen sich bereits Krebsvorstufen eliminieren. Darüber hinaus soll der neue Impfstoff vor allem in Entwicklungsländern dazu beitragen, die Rate an HPV-Impfungen zu steigern.

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Prof. Dr. rer. nat.Martin Müller und Dr. rer. nat. Xueer Zhao, Deutsches Krebsforschungszentrum, Heidelberg
Prof. Dr. rer. nat.Martin Müller und Dr. rer. nat. Xueer Zhao, Deutsches Krebsforschungszentrum, Heidelberg
© Martin Müller/Xueer Zhao

 

Der durch bestimmte Humane Papillomviren (Hochrisiko-HPV) verursachte Gebärmutterhalskrebs ist weltweit die dritthäufigste Krebserkrankung bei Frauen. Weit über 80 Prozent der Fälle werden in den Entwicklungsländern diagnostiziert, vor allem in Afrika und in Südamerika. Hochrisiko-HPV werden beim Geschlechtsverkehr übertragen, die Infektionen sind sehr häufig. Man nimmt an, dass bis zu 80 Prozent der weiblichen Bevölkerung in ihrem Leben mit diesen Viren Kontakt haben. Neben dem Gebärmutterhalskrebs werden Infektionen mit Hochrisiko-HPV auch mit Mund-Rachentumoren in Zusammenhang gebracht. Wissenschaftler gehen davon aus, dass die globale Belastung durch HPV-verursachten Gebärmutterhalskrebs in den nächsten zehn Jahren weiter zunehmen wird. Eine der Ursachen für den erwarteten Anstieg ist, dass HPV-Impfungen und Gebärmutterhalskrebs-Screening-Programme in Ländern mit niedrigen und mittleren Einkommen nur mit hohem Kostenaufwand zu verwirklichen sind.

Bislang sind drei zugelassene prophylaktische Impfstoffe auf dem Markt, die einer Infektion mit Hochrisiko-HPV vorbeugen. Allerdings wirken sie jeweils nur gegen einige der krebserregenden HPV-Typen. Zudem sind sie temperaturempfindlich und erfordern daher durchgehend gekühlte Transporte, was in manchen Ländern ein logistisches Problem darstellt. Ihre Produktion ist darüber hinaus aufwendig und teuer. Außerdem zeigt keiner davon eine therapeutische Wirkung auf bereits bestehende Infektionen.

Unterstützt durch die Wilhelm Sander-Stiftung widmet sich die Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Martin Müller und Dr. Xueer Zhao am Deutschen Krebsforschungszentrum, Heidelberg, daher der Entwicklung eines neuen kostengünstigen und hitzebeständigen Impfstoffs, der prophylaktisch und zugleich therapeutisch gegen alle relevanten krebserregenden HPV wirkt. Ein solcher „Dual-Purpose“-Impfstoff könnte erstmals Anwendungspotenziale für die Bevölkerung unabhängig von ihrem HPV-Infektionsstatus bieten.

Hochwirksam, hitzeresistent und kostengünstig: Entwicklung einer innovativen HPV-Prophylaxe

In einem ersten Projekt war es dem Forschungsteam bereits gelungen, einen prophylaktischen Impfstoff zu entwickeln, der auf kleinen Proteinschnipseln der Virushülle (HPV-Hüllproteinen) beruht. Ziel der Impfung ist es, die Bildung schützender Antikörper auszulösen. Damit dies effizient geschieht, haben Martin Müller und seine Kollegen die kleinen Fragmente der HPV-Hüllproteine, die sogenannten L2-Epitope (Molekülabschnitte der viralen Antigene) der acht Hochrisiko-HPV-Typen 16, 18, 31 33, 35, 6, 51 und 59 in das thermostabile Gerüstprotein (Thioredoxin) eines hitzeliebenden Bakteriums (Pyrococcus furiosus) eingefügt. Gegen jedes dieser Epitope können nach der Impfung vom Immunsystem spezifische Antikörper gebildet werden, die an die Oberfläche der Viren binden und den Körper so vor HPV-Infektionen schützen.

Darüber hinaus konnte die Arbeitsgruppe mittels eines neuen Verfahrens einen weiteren Fortschritt erzielen: Durch das Hinzufügen einer kleinen, stabil gefalteten Proteinstruktur, der sogenannten OVX313-Domäne, lagern sich jeweils sieben Thioredoxin-L2-Komplexe zu Makromolekülen des Impfproteins zusammen. Dadurch wird die Wirksamkeit des Impfstoffs deutlich gesteigert.

Neben seiner außerordentlichen Stabilität und hohen Effektivität gegen Hochrisiko-HPV hat der Impfstoff einen weiteren Vorteil: In Mäusen und Meerschweinchen konnte bereits nachgewiesen werden, dass er nicht nur vor allen krebserregenden HPV, sondern auch vor einer Reihe von sogenannten Niedrigrisiko-HPV schützt.

Die präklinischen Ergebnisse deuten darauf hin, dass der Impfstoff vor fast 99 Prozent aller HPV-bedingten Fälle von Gebärmutterhalskrebs schützen kann. Darüber hinaus ist auch ein Schutz gegen andere HPV-Typen denkbar, die Hauterkrankungen sowie Krebs des Rachenraums und des Analbereichs verursachen. Eine erste klinische Evaluierung des Impfstoffs mit Namen PANHPVAX ist im Jahr 2021 geplant.

Erfolgreiche Erweiterung des Wirkspektrums um therapeutische Eigenschaften

Im aktuellen Folgeprojekt ist es Dr. Xueer Zhao jetzt zudem gelungen, weitere Proteinstrukturen in das Impf-Makromolekül einzubauen, die von den T-Zellen des Immunsystems erkannt werden können. Dabei handelt es sich um die vollständigen E7-Tumorproteine der beiden wichtigsten krebserregenden HPV-Typen 16 und 18. Die Integration dieser Proteinstrukturen verleiht dem prophylaktischen Impfstoff zusätzlich eine therapeutische Wirkung, indem diese Eiweißbausteine die T-Abwehrzellen gezielt auf virusinfizierte Zellen im Körper lenken. Ein solcher „Dual Purpose“-Impfstoff wäre besonders wertvoll für die Post-Expositions-Prophylaxe und würde gleichzeitig vor wiederkehrenden HPV-Infektionen schützen.

Optimierte Wirksamkeit durch den innovativen, modularen Aufbau des neuen „Dual-Purpose“-
Optimierte Wirksamkeit durch den innovativen, modularen Aufbau des neuen „Dual-Purpose“- Impfstoffs: Prophylaktische Funktion (oben): Der Impfstoff besitzt die Fähigkeit, die Produktion von Antikörpern zu stimulieren (B-Zell-Stimulation), die dann an die Oberfläche der Viren binden und den Körper so gegen verschiedene HPV-Infektionen schützen. Therapeutische Funktion (unten): Die Vakzine löst gleichzeitig auch die Vermehrung spezifischer T-Zellen (T-Zell-Stimulation) aus und kann damit potenziell sowohl bestehende HPV-Infektionen als auch HPV-bedingte Tumoren beseitigen.
© Martin Müller/Xueer Zhao

 

Mit ihren bisherigen Daten konnte die Arbeitsgruppe um Martin Müller und Xueer Zhao zeigen, dass ein modularer Aufbau des Impfstoffs, der sowohl Antikörper hervorruft als auch T-Zellen aktiviert, möglich ist: Die Vakzine behält zum einen ihre Fähigkeit, die Produktion von Antikörpern zu stimulieren, die an die Oberfläche der Viren binden und den Körper so gegen verschiedene HPV-Infektionen schützen. Gleichzeitig löst der Impfstoff auch die Vermehrung spezifischer T-Zellen aus und kann bei Mäusen einen soliden HPV-bedingten Tumor zum Verschwinden bringen. Er ist also potenziell in der Lage, sowohl bestehende Infektionen als auch HPV-bedingte Tumoren zu beseitigen.

Um die Entwicklung für die klinische Anwendung voranzutreiben, prüft das Projektteam derzeit bereits an Mäusen, die mit Teilen des menschlichen Immunsystems ausgestattet wurden, die sogenannte „Immunogenität“ des Impfstoff-Kandidaten, d. h., ob er auch hier die Fähigkeit besitzt, eine adäquate Immunantwort auszulösen.

Durch seinen innovativen Aufbau und das erweiterte Wirkspektrum hat der neue „Dual Purpose“-Impfstoff das Potenzial, sowohl nicht infizierte Personen vor verschiedenen HPV-Infektionen zu schützen, als auch das Immunsystem bereits infizierter Personen bei der Bekämpfung des Virus oder möglicher HPV-bedingter Tumoren zu unterstützen und sie gleichzeitig auch vor neuerlichen HPV-Infektionen zu schützen. Ein weiterer Vorteil ist, dass diese Art von Impfstoff keine Kühlkette erfordert, was wiederum die Kosten senkt und ihn auch in Entwicklungsländern anwendbar macht.

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